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Auf der Plattform gutefrage.net sind viele versammelt, die Rat für spezielle Situationen ihres Lebens suchen und nicht wenige, die dumm oder dreist provozieren. Letztere beachte ich nicht. Aber jene, die sich wie Clarissa vorstellen, haben, wie das in der Marketersprache heißt, echt Schmerzen. Für sie bin ich da.
                               
Wie komme ich (fast 16) mit dem Tod meiner Mama und besten Freundin klar?

Hallo ihr Lieben.
Ich stelle mich einmal kurz vor: Mein Name ist Clarissa und ich werde am 13. Dezember 16 Jahre alt und bin in der zehnten Klasse eines Gymnasiums.
Anfang August ist meine Mama (37) überraschend gestorben. Die Diagnose Krebs erhielt sie im Mai, bekam Chemo, die zunächst gut anschlug und starb letztendlich an einer Blutvergiftung im Rahmen einer Operation. Für mich und meine Familie war das so unwirklich, ist es immer noch. Mein Vater hat sich in Arbeit gestürzt und mein Bruder (18) und ich haben uns um unsere kleinen Schwestern (5 und 7) gekümmert, so gut es eben ging. Nach den Sommerferien bin ich auch wieder in die Schule, weil ich es zu Hause nicht ausgehalten habe.
Eine große Stütze während dieser Zeit war meine beste Freundin, mit der ich seit der ersten Klasse befreundet war. Sie war die Einzige, mit der ich reden wollte, doch am 03. November kam der nächste Schock: Sie hat sich mit gerade einmal 16 Jahren das Leben genommen, ohne Vorwarnung, ohne Ankündigung. Sie hat sich die Pulsadern aufgeschnitten und hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen, nichts, was eine Erklärung dafür gibt. Scheinbar hatte sie Depressionen und musste Medikamente nehmen.

Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie ich mich fühle. Sie war meine beste Freundin, ein Teil meiner Familie und ich habe nichts gemerkt, war zu sehr mit meiner eigenen Trauer beschäftigt und habe sie in ihren Kummer im Stich gelassen. Sie war nach außen hin immer ein optimistischer Mensch, der jeden zum Lachen bringen konnte und überall gute Laune versprühte.

Ich weiß nicht, was ich machen soll.. Der Tod meiner Mama hat mich völlig aus der Bahn geworfen und immer noch nicht kann ich begreifen, dass sie mich nie mehr in den Arm nehmen wird. Mein Vater ist mit seiner Arbeit so beschäftigt, verlässt früh um 06:00 das Haus und kommt erst gegen 21:00 Uhr wieder. Ich kümmere mich wirklich so gut es geht, um meine Geschwister, aber es wird jeden Tag schwerer. Und nun ist meine beste Freundin auch noch tot. Das ist so unwirklich, dass ich es nicht verstehen kann.
Ich fühle mich so leer, habe kein Gefühl für Zeit: gehe zur Schule, kümmere mich um den Haushalt, lerne und mache Hausaufgaben. Ich existiere und funktioniere, aber fühle nichts mehr. Seit dem Tod meiner Mama habe ich nicht einmal geweint. Das ist doch nicht normal oder? Lediglich wenn ich mit meiner besten Freundin zusammen war, hatte ich Hoffnung, dass es besser wird. Doch nun ist auch sie weg. Meine Kraftquelle meine Stütze.
Ich fühle mich so egoistisch, dass ich nicht gemerkt habe, wie es ihr geht. Eigentlich weiß ich gar nicht, was ich tun soll. Was ich tun kann. Ich habe ernsthaft überlegt, in eine Jugendpsychiatrie zugehen, aber dann lasse ich auch noch meinen Vater und meine Geschwister im Stich. Das wäre wieder egoistisch. Aber ich weiß nicht weiter.
PS: Mein Vater kocht trotzdem für uns und ist bei uns.

Was soll ich tun? Bitte helft mir und entschuldigt den langen Text.

Meine Antwort:

Guten Tag Clarissa,

zuerst einmal drücke ich euch allen mein Beileid aus. Ihr habt einen großen Verlust erlitten. Der eure Gefühle stark belastet. Du zusätzlich durch die unverständliche Handlung deiner ehemals besten Freundin.
Mit meinen fast 80 Jahren versuche ich, dir ein wenig die aus dieser Plattform erwartete Hilfe zu geben.
Ein für mich bemerkenswerter Satz war, dass du und dein Bruder sich um eure kleinen Schwestern gekümmert habt. Die noch weniger als Größere verstehen können, dass der Tod zum Leben gehört. Bitte lies weiter, auch wenn dieser Satz grausam klingt. Er beschreibt doch nur eine Tatsche.
Während ich dir schreibe, schaut mir unsere liebe Mutti lächelnd zu. Vom oberen Bord meines PC-Tisches. Sie starb vor 48 Jahren mit nur 52 gelebten. Plötzlich. An einem Thrombus, der sich in einem Blutgefäß eines Beines gelöst hatte. Wir vier Brüder haben sie über alles geliebt, denn sie hat uns nach dem Zweiten Weltkrieg mit großer Anstrengung ernährt, gekleidet, später für Bildung bzw. Ausbildung gesorgt. Du sollst wissen, dass ich mitfühle.
Nun zu etwas Besonderem. Auch eure geliebte Mutti hat euch - wie die unsere - in diese Welt geboren, damit ihr in der so glücklich wie möglich leben könnt. Von euch Leid ferngehalten, bei Krankheit für Gesundung gesorgt und auch für das tägliche Essen - oder? Also in euch gemeinsam mit Vati viel Liebe und Arbeit investiert - richtig? Hin und wieder - wenn sie kurzzeitig weg musste - den "Großen" die Sorge für die "Kleinen" anvertraut.
Nun ist eure liebe Mutti leider für immer abwesend. Euch "Großen" empfehle ich, die "Kleinen" so lange zu "behüten", wie das nötig ist. Sicher ist für mich, dass euer ebenfalls nach diesem Verlust liebebedürftiger Vati bald wieder mehr für euch da sein wird. Streichele du ihn auch einmal - bei Gelegenheit. Vielleicht kannst du dann an seiner Schulter weinen. Und er mit dir.
Eure liebe Mutti ist nicht allein, auf eigenen Wunsch aus dem Leben gegangen. Sie wollte mit euch glücklich sein. Ihr Wunsch ist noch heute wirksam. Ihr sollt - wie ich - euch freuen, dass ihr eine solche Mutti hattet. Meine liebe Mutti bekommt heute noch jeden Morgen ihr Küsschen.
Nach der Trauer um sie habe ich erneut ein vollgültiges Leben begonnen. Sie lebt mit mir. Wie schon die Perser sagten: "Nur der ist tot, der keinen guten Namen hinterlässt."

Trotz allem glücklich und freundlich weiterzuleben ist nicht nur ein Wunsch eurer Mutti gewesen, sondern ein liebevoller Auftrag. Bitte erfüllt den.

Dazu wünsche ich euch alles erdenklich Gute!
Bleibt recht gesund!

Siegfried


P. S.

Guten Tag Clariisa,

hier melde ich mich noch einmal. Weil ich - das Alter - etwas vergessen habe. Dein schönster Satz war: "P.S. Mein Vater kocht trotzdem für uns und ist bei uns."

Vor ihm ziehe ich meinen Hut. Schon allein, dass eure Mutti und euer Vati euch Vieren das Leben geschenkt haben, ist doch ein Zeichen ihrer gegenseitigen Liebe und dieses Gefühls auch für euch.
Es ist bei der von dir geschilderten Arbeitsbelastung für euren Vater nicht einfach, den Kummer um seine verlorene geliebte Frau zu verschmerzen. Ebenfalls ist - für viele andere Männer - nicht selbstverständlich, sich wie er um seine Kinder zu kümmern.

Deshalb nun meine Bitte: tut eurem wunderbaren Vater so viel Liebes an, wie er es verdient.

Bleibt alle recht gesund!

Siegfried

Das Sternchen „Hilfreichste Antwort“ ist für mich der schönste Lohn.

Bleiben auch Sie recht gesund!

Siegfried

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