Tatenlos warten ist
für fast jeden Reisenden eine der unangenehmsten, langweiligsten „Beschäftigungen“.
Auch dann, wenn man auf einem fremden Großflughafen eine Gruppe Leute treffen
muss. Da bis zu ihrer Ankunft noch recht viel Zeit war, ging ich zum Medpunkt,
um meinen Blutdruck messen zu lassen.
Dort war man erstaunt, einen recht
passabel Russisch sprechenden Deutschen aus Kiew betreuen zu dürfen. Noch mehr
verblüfft waren Ärztin und Schwestern, als ich die Druckwerte vom Sonnabend
genannt hatte. Die hier festgestellten waren normal. Von den drei versammelten
Damen wollte eine wissen, weshalb ich in der Ukraine gestrandet sei. Meine
Auskunft, ich wäre des Geschäfts wegen gekommen und aus Liebe geblieben, wurde
beifällig aufgenommen.
Bis ich auf dem weiträumigen Flughafen anschließend zum
Ankunftsterminal gewandert war, dabei aufmerksam alle Personen musternd,
verging auch einige Zeit. Selbst wenn die häufigen Angebote von preiswerten
Hotelbetten und ebensolchen Taxis mich etwas nervten. Nur wurde mein suchender
Blick nach eigenem Gusto gedeutet. Das Flugzeug aus Tegel kam später als
erwartet – der Abflug war eine halbe Stunde verzögert. Aber auch die
Zollformalitäten (die Gruppe hatte einige Spezialwerkzeuge dabei) sorgten
dafür, dass die Männer mit ihrem Gepäck fast als letzte kamen.
Nach erfreuter
Begrüßung die Entscheidung: wir gehen in ein Café der oberen Etage, um ein
vorgezogenes Abendessen einzunehmen. Denn nach unserer Landung gegen 22.30 Uhr
in Bugulma würde im Hotel kaum etwas angeboten werden. Hier erfuhr ich, was
mein Freund in der Eile nicht erwähnt hatte: wir würden mit zwei russischen
Kollegen per Taxi in das rund 40 km entfernte Almetyevsk gebracht werden. Wo
auch die Montage ablaufen würde.
Die angekündigten Männer kamen noch während
unseres Essens zur Vorstellung kurz an unseren Tisch, setzten sich darauf
beiseite. Nach dem Einchecken fuhr ein Bus gegen 20 Uhr recht lange alle
Fluggäste über das Flugplatzgelände, bis wir an ein kleines Flugzeug vom Typ
Bombardier CRJ kamen. Für nur 50 Passagiere. Mit dem flogen wir zum Flughafen
Bugulma. Auf leicht verschneiten, aber unerwartet guten Straßen fuhren uns die Taxifahrer
mit sehr hohem Tempo durch die Nacht nach Almetyevsk. Der Preis für die Fahrt
war gegenüber den Moskauer Kosten lächerlich gering.
Im angenehmen kleinen
Hotel „Omega“ wurden unsere Pässe „eingezogen“ für die hier noch übliche polizeiliche
Anmeldung am Folgetag. Wir bezogen gut ausgestattete Zimmer und schliefen
prächtig. Das reichhaltige Frühstück bekamen wir – jeden Tag – in der
„Plinsendiele“, wie ich die „blinnaja“ frei ins Deutsche übertrug. Anschließend
ging es ins rund 12 km entfernte Werk.
Empfangen wurden wir dort vom Ingenieur für
Produktionssicherheit. Erstmals in unserer Tätigkeit bekamen wir im Ausland
eine Arbeitsschutzbelehrung, die mit Unterschrift dokumentiert wurde.
Anschließend einen Schutzhelm, den wir ständig zu tragen verpflichtet wurden.
In der Werkhalle herrschte neben Lärm auch ein Geruch nach frischer Lackfarbe
und es war staubig. Der Fußboden, auf dem unser über acht Meter langer
Maschinenkörper streng horizontal aufgebaut werden sollte, war recht wellig. Im
Gespräch mit dem Leiter der Werkhalle
wurden uns die Kranführer vorgestellt und auch die „Verbindungsleute“, welche
die erforderlichen organisatorischen Vorgänge selbständig oder über ihn
einleiten sollten. Danach wurden die anderorts noch verpackt gelagerten schweren
Maschinenbaugruppen nach unseren Vorgaben in die Halle gebracht und von uns
ausgepackt.
Als um 11 Uhr alles Licht verlosch, waren wir einen Augenblick
verdutz. Wir erfuhren, dass dies Signal für die allgemeine Mittagspause war.
Alle in der Produktion tätigen Personen wurden so in die Pause geschickt.
Uns
hatte man gesagt, dass wir mit den Leuten aus den Verwaltungsbereichen ab 12
Uhr in einer gesonderten, jedoch einfachen Kantine verpflegt werden würden.
Dort musste ich als erster in unsere kurze Reihe, um die angebotenen Gerichte knapp
zu beschreiben – wenn nötig. Am zweiten Tag waren meine Kollegen im Speisesaal schon
selbstständig.
Die Haltung der verschiedenen in der Halle tätigen russischen
bzw. tatarischen Kollegen uns gegenüber war durchgehend freundlich, sie boten
nicht selten ihre Hilfe an, wenn sie meinten, dass wir diese brauchten. Wenn ihnen
ihre Arbeitsaufgabe ein Fernsein vom Arbeitsplatz erlaubte. Nicht selten wurden
Brocken aus dem Deutschunterricht vor langer Zeit aktiviert, um uns gegenüber Aufmerksamkeit
zu zeigen.
Mit Verwunderung wurde beobachtet, dass aus einer der großen Kisten
eine alte Werkbank herausgehoben wurde, an der ein deutscher Kollege den durch sie
mitgebrachten großen Schraubstock anbrachte. Was fehlte, war eine Richtschnur, um das
Maschinenbett genau auszurichten. Ich sagte das einem der Verbindungsleute. Als
trotz Erinnerung lange nichts kam, hatte Bernd eine Idee. Mit 12 m dünnem
Schweißdraht, gesehen an einem Arbeitsplatz, fluchteten unsere Männer das
Maschinenbett. Eine halbe Stunde später kam ein junger Mann mit einem Knäuel. Er
hatte von seiner Frau daheim eine dünne Wäscheleine geholt. Schlussfolgerung:
zur nächsten Montage die Richtschnur auch noch einpacken.
Den Abend des ersten
Tages beschloss ein Abendessen im Restaurant „Alter Speicher“ – rustikal eingerichtet und mit recht guter Küche. Von unserem
Hotel etwa sieben Minuten Fußweg, aber auf von Schnee matschiger Straße.
Fortsetzung folgt.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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