Hauptgewinn...

             Der letzte Tag des Jahres 2013 ist da. Schön, dass ich ihn in der Ukraine erlebe. Nur zum Ende November war ich einige Tage im „Weihnachtstaumel“ Deutschlands, welcher ja praktisch mit dem ersten Oktober beginnt. Weil ich etwas in der Heimat erledigen musste. Von diesem Rummel sagt der schweizerische Pfarrer und Schriftsteller Kurt Marti sehr passend: „Die Ware Weihnacht ist nicht die wahre Weihnacht.“ 

          Hier ist lediglich die Woche vor dem Neujahrsfest ein wenig festlastig – ein wenig mehr thematisierte Reklame. Das lockert die ewigen Blöcke im Fernsehen auf, in denen es gewöhnlich um Slipeinlagen oder Pampers, Haftcreme für Gebisse und Zahnpaste, Leberheil- und Geschirrspül- Mittel geht. Danach ist Anfang Januar noch ein wenig Vorbereitung für das orthodoxe Weihnachtsfest drin – und dann wird es wieder alltäglich langweilig. 

           Allerdings haben wir in diesem Jahr noch den „Maidan“ in Kiew (den Hauptplatz dieses Landes, auf dem Opposition und Sympathisanten ihre Zelte aufgeschlagen haben). Jedoch schlägt er nicht überall im täglichen Leben durch. Außerdem ist er gegenwärtig ein wenig "sportlich" geworden. Die dort Versammelten wollen ins Guinnes-Buch der Rekorde kommen - sie schlagen dazu den Einwohnern vor allem von Kiew vor, heute Nacht die größte Menschenmenge zusammen zu bekommen, welche gemeinsam die Nationalhymne singt. Gegenwärtig hält wohl ein asiatisches Land den Rekord. 

           Auf der Straße hier in Belaja Zerkov treffen sich Bekannte und wünschen einander das Beste für das Neue Jahr. Die Verkäuferinnen auf dem Basar freuen sich darüber, dass ich ihnen wünsche, über das Jahr sich wieder zu sehen bei bester Gesundheit. Meine Freundin Katja warnt, als ich bei ihr den obligatorischen Salzhering kaufe: „Heute sind die Leute unaufmerksam – da wiege ich falsch ab und gebe nichts heraus. Ich brauche das Geld.“ Sie lächelt schelmisch, wünscht mir danach auch vor allem stabile Gesundheit. 

            An einem „wilden Verkaufsstand“ (auf zwei Betonblöcken am Rande des Basars) bot eine Frau in hellem Papier verpackte Butter (aus der hiesigen Molkerei als dort Beschäftigte billiger in begrenzter Menge zu kaufen) und daneben Feuerwerkskörper aus China an. Eigenartige Zusammenstellung… 

          Auf dem Rückweg schaute ich bei Olga vorbei, um wie häufig bei ihr am Kiosk eine Flasche Bier zu kaufen. Sie war bei bester Laune, strahlte über das ganze runde Gesicht. „Ziehen sie doch bitte ein Los!“ sagte sie. Ich gewann mit dem leicht gefalteten Zettel ein Konfekt, Trüffel. Sie freute sich diebisch, fast kindlich. Der Kunde nach mir bekam einen Wunsch: „In 2014 eine zügellose Liebe!“ Schon die zweite Kundin hätte ihren Hauptpreis gewonnen, eine Flasche Sekt. Aber ein Kunde, der den Wunsch: „Ein Geschenk für die Verkäuferin!“ gezogen hatte, kaufte ihr wirklich einen Schokoladenriegel. Die 43-jährige sah aus wie ein Lausbub. 

          Wir halten es hier mit dem alten Griechen Pythagoras: „Das Gestern ins vergangen, das Morgen noch nicht da. Lebe heute.“ 


           Auch wenn es Sorgen gibt zum wirtschaftlichen und politischen Weg des Landes. 


          Vereinfacht für jeden so, wie das unser guter Schriftsteller Erich Kästner formulierte: „Wird's besser? Wird's schlimmer? fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich!“ 


           Deshalb wünsche ich Ihnen, den Gefahren zu entkommen, sich darüber herzlich zu freuen und ihre Nächsten deshalb auch zu lieben. 


Bleiben Sie recht gesund! 


Ihr 


Siegfried Newiger






  


  

Jubileum

           Wir waren am Sonnabend um 15 Uhr eingeladen – zum 60-sten Geburtstag einer guten Bekannten. Mein Drängen beantwortete Natascha mit der Frage, ob ich so hungrig sei oder der Wodka so magische Anziehung ausübe… Diese Bemerkung überging ich großzügig. Sie fuhr fort: es sollte in den Jahren doch bei mir angekommen sein, dass die genannte Zeit die frühest erlaubte Ankunft signalisiere. 15.30 Uhr wäre noch sehr höflich. Wir kamen zu eben dieser Zeit mit dem Taxi vorgefahren und ich wunderte mich wieder, dass der Saal gut vorbereitet, wir aber unter den ersten Gästen waren. 
               Valentina war gut gekleidet und frisiert, ihr Mann stach gegen sie aber nicht ab. Vor allem war ihrer beider Stimmung nicht aufgesetzt, sondern echt feiertäglich. 
          Wir waren erstmals im Cafe „Tandem“, folglich sah ich mich aufmerksam um. Wir haben im kommenden Jahr die ukrainische Nachfeier der Hochzeit von Sveta und Roman zu organisieren. Der Raum schnörkellos, hell, ohne das nicht selten sehr aufgesetzt wirkende „heimische Kolorit“. Die Tafel wie hier üblich fast überladen, nett, nicht übermäßig dekoriert. Ein Diskjockey von etwa 35 Jahren bereitete seine Technik vor. 
           Nachdem gegen 16 Uhr zum Platznehmen gebeten worden war, begann der rechte Geburtstagsschmaus mit dem Trinkspruch des Ehemanns. Er wurde damit beendet, dass alle Gäste „Gorko!“ riefen, auf Deutsch „Bitter!“ – gewöhnlich die Aufforderung an ein Hochzeitspaar, einander zu küssen. 
          Anschließend langten wir alle zu. Salate aller Art, von der Jubilarin eingelegte Waldpilze (glaube, dass so etwas in Deutschland unmöglich ist), vom Hausherren selbst geräucherte Hühnchen, extrem schmackhaft – dazu Kohlrouladen (fehlen bei keinem Gastmahl, als Füllung allerdings etwas schmackhaftes aus Reis), gefüllter Fisch, Sülze, Wurst, Schinken und Käse und und… Es ist mir einfach nicht möglich, die Leckereien alle aufzuzählen. Den Reiz machte die Mischung aus Hausmannskost und der "nach Art des Hauses" aus. Das "Tandem" ist auf unserer Liste Nachfeier für die Hochzeit ganz vorne. 
             Nach einer gewissen Zeit wurde unser Prassen vom Disjockey unterbrochen, der seine „Gästeliste“ abarbeitete – damit alle ihren Trinkspruch aufsagen konnten. Wie immer gab es einige Damen unter den Anwesenden, welche sich in Versen versucht hatten. Mein ukrainischer Sprachschatz ist zu jämmerlich, um alles zu verstehen. Machte aber mit zunehmender Verdünnung meines Blutes durch Alkohol nichts Wesentliches aus. 
             Zum Glück ging niemand auf den in Kiew ablaufenden „Maidan“ ein, der am folgenden Sonntagmorgen in die „Große Wetsche“ übergehen sollte (eine einst sinnvolle Volksversammlung, als die slawischen Stämme zahlenmäßig noch so klein waren, dass sie sich mit allen Erwachsenen zur Beratung an einem Lagerfeuer treffen konnten). 
            Natascha hatte mir den Hauptteil unseres Trinkspruchs überlassen, nachdem sie unseren Wunsch für stabile Gesundheit vortrug. Ein wenig anders wollte ich schon sein. Deshalb machte ich einen Ausflug: ein 102 Jahre alter Japaner hatte Wissenschaftlern wie folgt geantwortet, als sie sein Geheimnis für langes Leben erfahren wollten. „Mich interessiert das Leben noch. Das hält mich lebendig.“ Also wünschten wir Valentina ebenfalls so viel Interesse am Leben. Weil aber alle immer nur auf ein glückliches, zufriedenes Leben abstellten, ging ich vom anderen Ende auf die Tatsache zu. „Natürlich wünschen wir dir das Beste. Wenn es aber doch einmal einen Schicksalsschlag gibt, wünschen wir dir viel Kraft, ihn zu überwinden.“ Der anhaltende Beifall bewies, dass ich verstanden worden war. 
              Im Tanzwettbewerb – 6 nicht miteinander verheiratete Paare – gewannen meine Partnerin und ich für unseren Tango den zweiten Preis. 
             Als alle gemeinsam sangen, ritt mich der Ehrgeiz. Ich meldete mich und sang a capella das für mich schönste deutsche Liebeslied. „Dat do min Levsten büst…“ aus dem Mecklenburgischen. Einfache Melodie und erotischer Text. Wieder Beifall auf offener Szene. 
         So kann man Deutschland wirkungsvoller vertreten als sein ehemaliger Außenminister. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger







Kirche

             Es war am frühen Morgen. Unser Hund hatte mich hechelnd geweckt. Ein deutliches Zeichen. Wir waren abends spät spazieren gewesen – also dürfte ihn der Kot nicht besonders drücken. Unter normalen Bedingungen. Allerdings sah ich beim Nachmittagsspaziergang, dass er am Rand des Gehwegs irgendetwas aufgenommen und rasch verschluckt hatte. Ausbrechen wollte er es nicht. Nun hatte ich die Bescherung. Die Elastikhosen konnte ich nicht mehr anziehen – er hätte eine Fäkalienladung in der Wohnung abgelegt. Rasch angezogen und auf die Straße, wo er sich auch sofort erleichterte. Weil ich nun schon unterwegs war, ging ich mit ihm auch den kleinen Kreis ab, der gewöhnlich nachmittags und abends zum Tagesgeschehen gehört.
           Im Halbdunkel kam uns eine Familie entgegen. Der uns gut bekannte Rechtsanwalt begrüßte mich herzlich. Sie wollten in das Kiewer Höhlenkloster, zur Andacht in die Kirche. Ich erlaubte mir zu fragen, ob er denn wenigstens anschließend den „Maidan“ mit seiner Anwesenheit stärken würde. Die Antwort erstaunte mich: „Wir gehen doch nicht zu dem jüdischen Spektakel!“ Mein Hinweis auf den deutlich westeuropäisch eingestellten Boxer Klitschko und den eindeutigen Nationalisten Tjagnibok in der Führungstroika der Opposition wischte er mit der Bemerkung weg: „Die sind Trittbrettfahrer!“ Verabschiedete sich rasch. 
            Daheim die Pfoten des Hundes waschen, die eigene Morgentoilette vollenden sowie die Elastikhosen anziehen – also morgendliches Ritual in anderer Reihenfolge. Danach auf den Basar, Gemüse, Obst und Brot einkaufen. 
            Die Verkäuferin im Brotladen, einst mit ihren Eltern in der DDR gewesen, fragte: „Was sagen sie denn zu dieser Unordnung in unserem Land?“ Da erzählte ich ihr ein wenig von den Demonstrationen in diesem Land vor dem Fall der Mauer. Sie hatte das noch nie so erfahren. 
            Um bei der Wahrheit zu bleiben sagte ich auch, dass die versprochenen „blühenden Landschaften“ Versprechungen geblieben sind und Gewinner der Schlacht um die Märkte die internationalen Konzerne blieben. 
              Das merken die einfachen Ukrainer auch schon – selbst wenn sie in die Europäische Union streben. Denn ab 2015 wird der Basar so, wie er heute noch ist, zu existieren aufhören. Eine Forderung der Weltwirtschaftsorganisation. Die Bäuerlein und Kleingärtner, welche heute noch ihre Produkte feilbieten, haben dann nur noch den Weg über die Verarbeitung bei den „Großen“ der Branche übrig. Sie werden noch weniger Einkünfte haben, die Risiken von Gammelfleisch und anderen bekannten Verunreinigungen und Verfälschungen im Bereich Lebensmittel werden wachsen. Die Verbraucher sind vorläufig und im Wesentlichen noch unbeeinträchtigt von diesen Erkenntnissen. 

        Mir zumindest scheint das Rezept des ersten ukrainischen Präsidenten nach Erringung der „Unabhängigkeit“, Herrn Krawtshuk, ausgesprochen am „RundenTisch“ der vier Präsidenten, sehr zweifelhaft: „Wir sollten erst das Assoziierungsabkommen unterschreiben und anschließend im Rahmen und mit Hilfe der EU unsere ökonomischen Probleme lösen.“ 
          Da habe ich meine Bedenken. Vor allem, nachdem ich die Videos   
          http://www.youtube.com/watch?v=3ZpnOX4l7XA  und den zweiten Teil dazu http://www.youtube.com/watch?v=wEIWJx8GiGA gesehen habe. Was ich allen Lesern empfehle.
          Außerdem verfestigt sich mein Gefühl auch, nachdem die westeuropäische Seite die Verhandlungen heute abgebrochen hat. Denn sie will die Bedingungen nicht aushandeln, sondern diktieren. 
           Nach dem 01. Januar 2014, wenn die arbeitslosen Bulgaren und Rumänen Westeuropa überschwemmen, wird die EU für die Ukraine noch weniger anziehend sein. Dagegen werden auch die Gebete der Popen nicht  helfen, welche heute dem Maidan gutmeinend eine Art Weihe gaben.

Bleiben Sie recht gesund!  

Ihr 

Siegfried Newiger







Meinungen...

           Gestern Abend bekam meine Frau einen Anruf aus dem Krankenhaus. Unsere Freundin Nina war erneut dorthin eingewiesen worden, damit eine zweite Operation an ihrer Stirnhöhle endgültige Heilung bringen soll. Für einen Augenblick ließ ich mir das Handy reichen. Ninas Stimme klang gut. Das sagte ich ihr auch. Die Antwort: „Ich bin doch noch nicht tot.“ Da meinte ich: „Werde gesund – damit wir beiden noch auf der Hochzeit deines Sohnes miteinander tanzen können.“ Sie lachte relativ ungezwungen. „Danke – das wünsche ich mir auch.“ Also hatte ich ihre positive Einstellung mit wenigen Worten bestärken können. Wir verabschiedeten uns. Das Frauengespräch ging weiter. 

           Danach musste ich an den römischen Philosophen und Dichter Seneca denken. Vor rund 2000 Jahren hatte er schon formuliert: „Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern unsere Meinung über die Dinge.“ 

           Nina hat den Willen, gesund zu werden. Sie kennt – vor allem auch als Krankenschwester und schon operierte Patientin – alles, was an Unangenehmem mit der OP verbunden ist. Aber sie ist stark. Stärker als mancher Kerl, der meint schwer krank zu sein schon beim Erscheinen eines Pickels auf seinem hervorstehendsten Organ – der Nase, nicht was jemand denkt. Solch überempfindliche Männer habe ich schon viele kennen gelernt.  

        Ninas Meinung ist also positiv. Sie ist in ärztlicher  Obhut, um gesund zu werden und nicht, um bemitleidenswert krank zu sein! 

        Wer zur Macht unserer Gedanken etwas besonders Interessantes erfahren möchte – der oder dem empfehle ich hier einen Link zu einem für mich absolut überraschenden Video:


   http://www.youtube.com/watch?v=8kNp4ma3-7I 


        Dass zu allem Geschehen in der Welt andere Meinungen da sein können, andere Betrachtungsweisen, hat mir einmal eine Freundin überzeugend mitgeteilt. 

        In Afrika war sie in einem Hotelprojekt eingebunden. Die dort angestellten einheimischen Frauen fragten sie anlässlich einer Instruktionsstunde, ob sich die europäischen Gäste nicht ordentlich waschen. Ihre Gegenfrage, wieso sie darauf kämen, wurde in etwa so beantwortet. 

        „Wenn wir uns waschen oder duschen, ist danach unsere Haut sauber. Mit dem Handtuch entfernen wir sauberes Wasser von sauberer Haut. Wenn wir hier jeden Tag die Handtücher wechseln sollen, müssen sich die Europäer anders waschen als wir.“ Sehr diplomatisch ausgedrückt. 

           In einem Land, wo sauberes Wasser eine Kostbarkeit ist, wird von klein auf ein anderes Verhalten zu diesem Nass vorgelebt und weiter gegeben. 


          Nun nochmals Seneca: „Glücklich ist nicht, wer anderen so vorkommt, sondern wer sich selbst dafür hält.“

          Oder das Folgende vom römischen Philosophen-Kaiser Marc Aurel, etwa 150 Jahre nach Seneca: „Das Glück deines Lebens hängt ab von der Beschaffenheit deiner Gedanken.“ 


         Wer einen Rat zum Thema möchte: sehr einfühlsam wird dieses in der „Lebenslotsen-Akademie“ behandelt – der Link dazu: 


http://hans-dirk-reinartz.com/lebenslotse-akademie/“ 


Bleiben Sie recht gesund! 


Ihr 


Siegfried Newiger 






Reise nach Berlin...

           Es ist schon eine Weile her, dass wir gezwungen waren, aus Belaja Zerkov nach Berlin zu fahren – über Kiew. Wir nahmen von dort einen guten Bekannten mit. Den hatte ich vor rund 7 Jahren im Schnellzug Kiew-Berlin kennen gelernt. Volodja – die Verniedlichungs- oder auch Koseform von Vladimir – hatte erst vor Kurzem eine Prostataoperation hinter sich gebracht und war deshalb ein wenig gehandicapt. 
           Wir haben erstmals seit langer Zeit die sogenannte „Warschawjanka“ auf voller Länge befahren. Gemeint ist der ukrainische Teil der Straße Kiew-Warschau, der in den letzten zwei Jahren gründlich repariert wurde. In sehr guter Qualität. Deshalb waren die knapp 600 km sehr rasch durchfahren. Im Abschnitt vor der Grenzübergangszone eine Warteschlange, wie sie an innereuropäischen Landesgrenzen seit langem unbekannt ist. 
       Um noch bei Tageslicht nach Polen zu kommen, ging ich mit meinem Herzschrittmacherpass zum Sergeanten, welcher die Reihenfolge der Durchfahrt regelte. Er ließ uns von hinten vor- und sofort durchfahren. Danke von hier zusätzlich nachträglich. Auf polnischer Seite keine Chance, die Variante zu wiederholen – weil die Ordnung durch sehr deutliche Abgrenzung der zulässigen Bereiche markiert war. Aber die Vielfahrer aus der Westukraine (so genannter „kleiner Grenzverkehr“ – gab es auch einmal in Westeuropa) mit ihren offiziell erlaubten und auch Schmuggelwaren hielten einander dennoch Lücken frei, in welche die Bekannten andere überholend einfuhren. Ärgerlich – aber nicht vermeidbar. 
           Auf Volodjas Bitte hin entschieden wir uns, bis Berlin durchzufahren. Die Route, welche wir kannten, um rasch auf die Autobahn A-2 zu kommen, kannte er noch nicht, fuhr gewöhnlich mit dem Auto über Warschau. Jedoch um die Stadt herum und in ihr häufig sehr zäher Verkehr. Wir konnten ihn eines Besseren überzeugen. 
         Als wir um 03.30 Uhr etwa bei seiner Wohnung in Berlin ankamen, waren alle rechtschaffen müde. Vor allem Natascha, welche die rund 1.500 km hinter dem Steuer gesessen hatte. 
           Daheim eine Überraschung. Gäste aus Moskau, die in einem anderen Zimmer schliefen, weil sie um 05,30 Uhr aufstehen und zu Flughafen Tegel mussten. Also drängten sich – zum Teil auf Luftmatratzen – 6 Erwachsene in einem kleinen Zimmer zum Schlafen zusammen. Ich wunderte mich nicht – Slawen haben so etwas drauf! Wir Deutschen (mich ausgeschlossen) kommen nicht mehr auf solche verrückten Ideen… 
             Meine Besorgungen hatte ich rasch erledigen können. Der bürokratischer gewordene erfolgreiche Umzug, die erforderlichen Arztbesuche und ähnliches wurden von einem eingetrübt: von Vandalismus mit nationalistischem Einschlag. Unbekannt hatte bei unserem vor einem Kaufhaus in Hellersdorf geparkten Auto mit ukrainischem Kennzeichen die Frontscheibe beschädigt. Einfach entweder mit einem Stein oder einem Knüppel auf sie gedroschen. Sie blieb zwar ganz – aber eine dem deutschen TÜV oder einer Polizeistreife wäre der Schaden aufgefallen. Folglich entschieden wir uns, das wenig gastfreundliche Berlin am nächsten Morgen zu verlassen. 
       Bis daheim sind wir niemanden mit der defekten Scheibe aufgefallen. Der Grenzübergang Polen-Ukraine war viel „härter“ als bei der Hinfahrt. Die Warteschlange länger und der polnische Regulierer trotz vorgezeigtem Schrittmacher-Dokument nicht gleich zugänglich. Weil es aber gegen 23 Uhr war und ich ihm klar machen konnte, dass ich sonst von ihm erwarte, dass mich die „Schnelle medizinische Hilfe“ hier versorgen müsse, ließ ihn uns durchwinken. Etwa zwei Stunden Wartezeit gespart. 
             Die Frontscheibe wird hier zu etwa einem Viertel des in Berlin angebotenen guten Preises gewechselt werden. Was wir aber beim TÜV in Berlin für 5 Euro gleich noch mitgenommen haben: die grüne Plakette für die neue Scheibe, welche uns Einfahrt in alle Stadtzentren in Deutschland erlaubt. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger