Einladung am Ufer...

          Meine Eheliebste hatte Freunden einen Gefallen getan. Weil die verreisen wollten, sie aber wichtige Unterlagen sehr spät bekommen hatten, spielte sie den Kurier. Etwas über 600 km in eine Richtung. 
          Deshalb hatte ich nicht erfasst, dass heute in der Ukraine ein Feiertag ist – der Tag der Unabhängigkeit. Für mich ist das in der modernen Welt ein etwas verschwommener Begriff – wo doch alles so stark mit einander verwoben ist. Da sollte hinter dieses Wort doch seine Begriffsbestimmung stehen. Für alle, die von außen oder eine Generation später dazu stoßen… 

          Als ich am Fluss angekommen war, begrüßten mich zwei Angler mit den Worten „S prasdnikom!“ – „Zum Feiertag!“. Ich antwortete so rituell höflich, wie sich das hier gehört. Fragte dann aber nach, weswegen. „Heute ist Unabhängigkeitstag. Weil die Fische frei machen, komme mal her und trinke mit uns einen.“ Ablehnen konnte ich wohl. Aber das hätte wenn nicht gleich den Abbruch diplomatischer Beziehungen bedeutet, so doch einen Schatten auf das gute Verhältnis geworfen. Die 50 gr Selbstgebrannter brannten im Rachen, ein Stück Brot mit gekochtem Fleisch und eine halbe Tomate zum Nachessen machten es erträglicher. Nach Anhören eines systemkritischen politischen Witzes ging ich meiner Wege. 
          Wir wollten mit dem Hund – der ein Stück Schweineschwarte bekommen hatte – unsere Norm erledigen. Wie jeden Tag 5 Kilometer Spaziergang in raschem Tempo. 
          Als wir zurück kamen, bekam ich die nächste Einladung. Die wollte ich ausschlagen – wurde aber „überlistet“. Man möchte, dass ich einen Trinkspruch ausbringe und verhindern, dass ich von der Zimmerdecke falle. Letzteres verstand ich nicht. Zur Erklärung sei man nach dem nächsten Schluck bereit. Ich ließ mir ein paar vernünftige Sätze einfallen – wir tranken, schon kein Selbstgebrannter mehr. Nachdem ich nachgegessen hatte, bekam ich die versprochene Erklärung. 
          „Ein Mann erzählt seinem Freund, dass sein Kater wie wild durch das Zimmer rennt, auch an der Stubendecke entlang. Der Freund bezweifelt das. Daraufhin wird er gebeten, mit ins Haus zu kommen. Der Hausherr gibt seinem Kater ein Glas Benzin zum Saufen. Danach rast der durch das Zimmer, auch die Decke entlang. Von der fällt er plötzlich herunter. Das Herrchen meint: „Das Benzin ist alle.“ Wir wollen bei dir vorbeugen.“ Nach freundlichem Gelächter verabschiedeten wir uns voneinander. 

          Nachdem ich den Hund heimgebracht und gefüttert hatte, den Kater auch mit etwas frischem Gras, ging ich in gehobener Stimmung auf den Basar. Nur meine gute Freundin Katja bemerkte etwas. „Sie sehen heute so glücklich aus – freut sie der Feiertag so?“ Ich erzählte ihr das, was ich an einem Gewässer in Deutschland wohl kaum erleben dürfte. Die junge Frau sah mich etwas irritiert an. „Dass sie am frühen Morgen eine solche Einladung annehmen, hätte ich nie gedacht. Sie sind wahrhaft hier schon integriert.“ Das war Kritik und Lob in einem. 
          So ist eben das Leben… 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger







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