Reiseverläufe

          Immer wenn ich in Berlin bin, habe ich mich unter anderem bei meinem Arzt-Freund seit langen Jahren sehen zu lassen. Auch, um die Gesundheit leicht zu checken. Aber vor allem, um nicht später einmal sagen zu brauchen: "Sie/ihn habe ich das letzte mal bei der Beerdigung von ... getroffen." Wer Freunde haben und halten will, dem darf der Weg zu jenen nie zu lang sein. Bei echter Freundschaft setzt das Prinzip Gleichwertigkeit der gegenseitigen Gaben aus. Zeit für den anderen ist auch ein Geschenk (siehe vorangegangene Post).

          Am Abreisetag herrschte in Berlin Winterwetter. Der Linienflug der Lufthansa nach Düsseldorf startete wegen Streik der Security dort verspätet, kam in Tegel entsprechend später an und konnte wegen Vereisungsbedingungen auch erst weit nach der planmäßigen Startzeit abfliegen. In Düsseldorf hätte das planmäßige Flugzeug nach Kiew bei unserer Landung schon 6 Minuten in der Luft sein müssen. Man bat uns, uns etwas zu beeilen, um auch mitgenommen zu werden. Kein Problem.

          Der Flug verlief sehr normal - außer, dass die Ukraine unter uns in Neuschnee verpackt war. Die Überraschung folgte - am der Gepäckausgabe. Vier Reisende waren von ihrem Gepäck in Düsseldorf nicht eingeholt worden. Es hatte das Umsteigen nicht geschafft. Also Ausfüllen der Verlustanzeigen. Nur mit Handgepäck bewaffnet, kam ich daheim an. Sehr zur Verwunderung meiner Eheliebsten, welche in eine positive Lösung ihr Vertrauen nicht investieren wollte. Also bekam ich das zu hören, was den meisten Ehemännern als Gardinenpredigt bekannt ist.

          Das Internet machts möglich - ich fand die Suchfunktion - und meinen Koffer, zumindest als Information. Als er nach zwei Tagen wohl verpackt vor unsere Haustür geliefert wurde, blieb meine Welt in Ordnung - bei meiner Frau bekam sie einen neuen Strich dazu. Lufthansa hat bei ihr gepunktet. Ich überlege jetzt, mit welchem Trick ich mir auch in der Zukunft das Kofferschleppen nach Hause ersparen kann...

        Zurück zum ersten Absatz. Als ich nach der Landung daheim anrief, hängte Natascha mit den Worten auf: "Ich bin bei einer Beerdigung, rufe zurück." Das war extrem unerwartet. Als sie mich anrief - ich war schon im Kleinbus unterwegs nach Belaja Zerkov - wollte sie mir keinen Namen nennen. Ich konnte mit dem Hinweis, dass ich säße, diese Blockade brechen. Allerdings war die Information hart: P. D., ein sehr guter Bekannter mit fast Freundesstatus, war ganz überraschend aus dieser Welt gegangen. Ein sehr gerechter Mensch, mit hintergründigem Humor, umfangreichem Wissen und sehr geschickten Händen... Ihn und seine Familie hatte ich vor etwa sechs Wochen letztmalig besucht. Also keinen Grund, mir ihm Sinne des ersten Absatzes im Post Vorwürfe zu machen. Sondern mir zu bestätigen: die Wege zwischen Freunden sind gleich lang von jeder Seite. Scheue nicht den Weg. 

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger





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