Braut in Rosa...

Schon gestern hatte ich Robert Browning zitiert - was die kleinen Glücksmomente angeht.

Heute erneut beim Morgenspaziergang eine Fülle winziger Mosaiksteinchen guter Stimmung.
Als erstes sahen wir nach Überschreiten der Holzbrücke auf dem Fluss zwei Höckerschwäne landen. Auch der Hund nahm sie wahr - die Geräusche bei der Wasserung lenken die Aufmerksamkeit unweigerlich auf den Vorgang. Beide sind seltene Gäste - sie sind eher im Dendropark auf den Teichen daheim, nisten da. Aber auf dem sonnen-überfluteten Fluss die weißen großen Vögel - wunderschön.

Nach einem Kilometer etwa eine fast übersehene Kleinigkeit: ein taubenetztes Spinnennetz. Nur das Blitzen der Tauperlchen in der Morgensonne unter einem ganz bestimmten Winkel hatte es verraten. Als ich langsam auf den Busch am Ufer zuging, flog eine Mehlschwalbe auf. Alleine - offensichtlich der Kundschafter vor dem Schwarm, untersuchen, ob genug Insekten durch die Luft schwirren. Nicht weit davon ein lange erwarteter Ruf - einer der Raben. Das dunkle "Knorzen" unverwechselbar mit dem heiser-hellen Krächzen der Krähen. Das Pärchen nistet schon einige Jahre auf einer der Eichen am Wegesrand.

Kai hatte heute seinen Spieltag. Er griff sich einen Knüppel und machte mich wild knurrend darauf aufmerksam. Ich befahl, den Knüppel mir zu geben - er raste davon. Das gehört zu den Spielregeln. "Gib meinen Knüppel!" würde heißen, dass der meiner ist und abgelegt werden muss. Einfach nur "Gib den Knüppel" darf er ignorieren, weglaufen, wieder herbeirasen und mir das Holzstück "vor die Nase halten". So läuft er sich nach Herzenslust müde und schlank. Diesmal befahl ich nach einigen Runden, mir mein Hölzchen zu geben. Dann warf ich es in den Fluss. Erstmals in seinen 7 Lebensjahren apportierte der Hund - freiwillig. Ich habe ihn nie dazu abgerichtet. Er bekam sein Lob und durfte wiederholen. Aber das machte ihm nicht den Spaß - er ließ den Stock nach einigen Schritten auf dem Ufer einfach liegen. Trotzdem - seine Leistung - mein Vergnügen.

Als wir nach etwa einer Stunde aus dem Wald kamen, hatte sich die Wiese sehr verändert. An einigen Stellen lagen dichte gelbe Teppiche aus Löwenzahnblüten - auch Butterblumen genannt. Die höher gestiegene Sonne hatte sie aus ihren grünen Hüllen gelockt. Die frühen Bienen summte über den merklichen Duft hin.

Uns entgegen kam ein junger Mann. Der umgehängten Tasche nach ein Berufs- oder Hobbyfotograf. Kai lief an ihn heran, beschnupperte ihn kurz. Der Mann sah an sich herunter und lächelte. Ein so angenehmes Lächeln, dass ich dies als Frau "bezaubernd" genannt hätte ... Es wärmte auch meine Seele ...

Nun hätte der Morgen normal weitergehen können. Allerdings wollte ich etwas unseren Weg abkürzen, nahm eine andere Route. Und hatte plötzlich die letzte Überraschung vor Augen und Nase. Wie eine Braut in hellem Rosa stand da im Garten eines Privatgrundstücks ein eben aufgeblühter Aprikosenbaum. Er duftete auch ganz zart nach einer reifen aufgeschnittenen Frucht - so Vorfreude verbreitend.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger


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