Abenteuer Alltag 2

Der 08. März 2012 in Berlin war mit vier Aufgaben ausgefüllt.
Allerdings begann er etwas anders, als Sie vielleicht ahnen. Ich bekam den Anruf meiner Eheliebsten aus der Ukraine. Inhalt in etwa: sie danke mir dafür, dass ich ihr am arbeitsfreien Weltfrauentag erlaubt habe, sehr früh aufzustehen, 85 km nach Kiew zu fahren und dem Schaffner des Waggons, in dem ich aus Berlin zurückfahren würde, meinen zweiten, gültigen Reisepass zu übergeben mit einer Anzahlung, die ich in Berlin aufzufüllen genötigt sei. Ich bedankte mich, nicht ohne sie zu diesem Feiertag (in der Ukraine, in Russland und etwa 30 anderen Ländern) zu beglückwünschen. Ich verstehe Sie, wenn auch Sie das als pervers einstufen – meine Gute tat das mit sehr deutlichen Worten. Wichtig: der gültige Reisepass kommt.

Dann ging es um den Besuch beim meinem Vermieter, der gerade aus seinem Urlaub zurückgekommen war, um die für mich aufgelaufene Post abzuholen. Der Gute hatte ein Problem: die Spüle in seiner Küche war defekt, er hatte schon vorgearbeitet und wartete auf den Klempner. Nur die Reise zum Siemensdamm war nicht gerade kurz.  Nach einem kurzen Schwatz ging es weiter ins Rathaus Spandau, ins Bürgeramt.

Weil viele Leute da waren, ich auch noch in die Mittagszeit hineingeriet, dauerte dieser Teil der Aufgaben rund drei Stunden. Schön allerdings war, dass ich dort aus einer eigenartigen Situation in eine interessante geriet. Ich kann nicht so lange stillsitzen wie andere Besucher – ich wandere dann lieber auf und ab durch die Gänge. Ein junger Inder sprach mich an – er benötigte Hilfe im Bereich deutscher Büroorganisation. Ich erfuhr, dass er durch ein Studentenaustauschprogramm nach Berlin gekommen war. Ich konnte ihm einfühlsam helfen. 
Eine junge Frau stand mit zwei jungen Männern zusammen auf dem Gang und sagte, als ich vorbeischlenderte, denen relativ laut und temperamentvoll: „Aber meine Schwester ist intelligent.“ Am Weltfrauentag musste ich reagieren, wer auch immer das anders sieht. Ich wendete mich zur Gruppe und fragte: „Was sind denn da sie, junge Frau? Heute ist Weltfrauentag und nicht „Tag der Selbstkritik.“ Aida, so heißt die Dame, lachte und meinte, sie habe nur herausstellen wollen, dass die Schwester noch klüger sei. Außerdem wären sie daheim 4 Schwestern. Im Verlauf der sehr ungezwungenen Unterhaltung erfuhren die jungen Leute, dass ich schon lange in der Ukraine lebe und hatten gleich einige Fragen. Wir trennten uns später im besten Einvernehmen. Von wegen unmöglicher Jugend …

Der Besuch im Finanzamt fiel aus, der als „Beiwerk“ mit auf der Wunschliste gestanden hatte. Denn von Spandau nach Ahrenfelde, zum Orthopäden – das war einmal quer durch die riesengroße Stadt.

In der U-Bahn bekam ich einen Platz schräg gegenüber einer wunderschönen jungen Frau. Sie hat ein eher rundes, aber extrem ausdrucksvolles Gesicht. Es war ein wenig intensiver geschminkt als auf den ersten Blick notwendig, wirkte aber nicht vulgär. Die dunklen Augen strahlten Wärme aus. Was mich besonders fesselte – ihre Hände. Keine der häufig bewunderten „schlanken Finger“, die Heinz Rühmann in einem seiner Filme als „die weiter entwickelten Krallen des Urvogels Archeopterix“ nennt, sondern solche, die ich für mich als „zärtliche Finger“ bezeichne – ihre biegsame Weichheit vermeine ich fast auf der eigenen Haut zu spüren.
Um mich einerseits von der schönen Nachbarin abzulenken, aber auch um endlich den Anruf zur Witwe eines vor einem halben Jahr verstorbenen Freundes eventuell doch durchzubekommen, wählte ich deren Telefonnummer. Sie war da – aber in einem fürchterlich niedergedrückten Zustand. Denn ich hatte vergessen: an diesem Tag hatte Wolfgang Geburtstag. Außerdem war sie soeben vom Friedhof gekommen. Also verständlich, zumal beide in rechter Harmonie miteinander gelebt hatten. Nach einigen Versuchen allgemeiner Art, ihren Lebensmut aufzubessern, fuhr ich scharfes Geschütz auf: „Wenn sie Offizier wären, wie Wolfgang es war, würde ich sagen: Kopf hoch und weitergelebt für Kinder und Enkel, die sie brauchen.“ Da kam in der Antwort etwa hellere Farbe in ihre Stimme. Ich hätte ja recht und sie mich verstanden. Sie sei für Kinder und Enkel da und bliebe das. Im Abschied war Zuversicht.
Als wir beide umsteigen mussten, ließ ich der Schönen den Vortritt. Sie hatte schon bei meinem „Befehl“ an die Witwe reizend gelächelt. Deshalb erlaubte ich mir, als wir nebeneinander über den Bahnsteig gingen, die Anmache: „Sagen sie bitte, wer hat ihnen zu dem reizenden Gesicht die bezaubernden Hände mitgegeben?“  Lächelnd, aber nicht abweisend: „Meine Mutti, denke ich.“ Wir kamen in ein angeregtes Gespräch. Ich erfuhr, dass Sina Ägypterin aus Berlin ist, ein wenig mehr Schminke aufgelegt habe als üblich, weil sie am Alexanderplatz auf einer Veranstaltung ägyptischen Tanz vorstellen will. Sie habe meine „Anmache“ nicht als solche empfunden, sondern mein vorhergehendes Gespräch mit der Witwe, besonders die sehr ungewöhnliche Aufforderung zum Weiterleben im Interesse der Kinder und Enkel, habe auf sie einen günstigen Eindruck gemacht. Wir verabschiedeten uns nach etwa 15 Minuten reizender Unterhaltung sehr nett voneinander.

Die etwa alle Vierteljahre erforderliche Spritze in das rechte Schultergelenk bekam ich, weil unangemeldet, nach fast zwei Stunden. Gegen 20 Uhr war ich daheim.
12 Stunden Berlin – und wieviel positiver Abenteuer. Wie sagt so richtig Robert Browning: „Jede Freude ist ein Gewinn und bleibt es, auch wenn er noch so klein ist.“

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger

P. S.
Meine Website http://reich-weil-gesund.com/wartet auf Sie. Kommen Sie doch auf einen Schritt näher.

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